What Else Is Happening in the World amid COVID-19 Crisis?
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von Günter Faltin (Auszug aus „David gegen Goliath“)
Bleiben wir noch einen Moment in der Wirtschaftsgeschichte. Die Ökonomie war bis in die Neuzeit eingebunden in ein Wertesystem. Wenn sich jemand nicht daran hielt, wurde das auch sanktioniert. Wer gegen das Wertesystem verstieß, hatte mit harten Strafen zu rechnen. Wer trickste oder betrog, der riskierte mancherorts, dass man ihm die Ohrläppchen aufschlitzte. Der Begriff „Schlitzohren“ entstand so.
Erst die moderne Wirtschaftswissenschaft entledigt sich dieses Wertesystems, verweist es in einen Bereich außerhalb der wissenschaftlichen Disziplin. Stellt es in das Belieben des Einzelnen, ob er aus einem Wertesystem heraus operiert oder nicht. Er muss nicht mehr tun, als sich gesetzestreu verhalten – und oft nicht einmal das.
Was heute Betriebswirtschaftslehre heißt, begann zunächst als Privatwirtschaftslehre, als Profitlehre. Erst später, auch der Reputation des Faches wegen, wechselte man zum Begriff Betriebswirtschaftslehre, der neutraler und wertfrei klingt.
Aber schon Eugen Schmalenbach, einer der Väter der deutschen Betriebswirtschaftslehre, wies darauf hin, dass eine nur auf den Einzelnen abstellende Gewinnmaximierung im Grunde zu eng greife. Es bedürfe auch eines gemeinwirtschaftlichen Aspekts. Dabei hatte Schmalenbach vor allem die sogenannten externen Effekte im Auge – Kosten, die ein Betrieb der Allgemeinheit aufbürdet. Er prägte den Begriff »gemeinwirtschaftliche Wirtschaftlichkeit«.[1]
Ein Wortungetüm – vielleicht ein Grund, warum der Gedanke nicht aufgegriffen wurde.[2]
Versuchen wir uns in der Verteidigung der eigenen Disziplin. Ist es nicht zulässig, dass die Wirtschaftswissenschaft von der Annahme ausgeht, dass Menschen darauf abzielen, ihren Nutzen zu maximieren? Könnte man nicht sogar sagen, es ist absolut realistisch und zutreffend, nicht von irgendwelchen idealistischen Vorstellungen auszugehen, sondern davon, was wirklich Handeln bestimmt – den eigenen Nutzen, den eigenen Gewinn zu maximieren? Scheint doch sehr plausibel.
Wer so argumentiert, übersieht, dass eine Ökonomie, die ihr Gedankengebäude auf Gewinnmaximierung aufbaut, nicht ohne Wertesystem auskommt.
Eine einfache und rasche Weise, seinen Gewinn zu maximieren, ist es, einer alten Frau die Handtasche zu entreißen und abzutauchen. Eine fast risikolose Gelegenheit, sich zu bereichern. Trotzdem tun es die meisten von uns nicht. Warum nicht? Weil uns schon der Gedanke empört, weil uns ein Grundanstand verbietet, so zu handeln. Wir sind deswegen noch lange keine edlen Menschen, sondern nehmen eine Haltung ein, die selbstverständlich und normal ist.
Werte sind eine Form des Wissens. Werte sind geronnenes Wissen. Wissen aus Jahrhunderten. Werte sind viel mehr als nur inspirierende Ideale. Sie sind eine mächtige Determinante der menschlichen Evolution. Sie sind psychologische Faktoren mit großer praktischer Bedeutung.[3]
Wir müssen nicht den Theoriestreit großer Denker wie v. Hayek, Keynes oder Polanyi zurückverfolgen, um zu verstehen, dass soziale Normen und Werte in die Ökonomie hineinwirken, wichtig für sie sind. In der Wirtschaftsgeschichte war der Austausch von Waren stets eingebettet in ein Gerüst aus Normen und Regeln. Meist hatten soziale Normen sogar Priorität vor wirtschaftlichen Prozessen.
In Adam Smith’ berühmtem Bäckerbeispiel wird der Wunsch des Bäckers, Überschuss zu erzielen, abgebremst – man könnte auch sagen: ausbalanciert – durch das Wertesystem seiner Zeit, in dem er sich bewegt. Er reizt den Preisspielraum nach oben nur so weit aus, wie es sich mit dem Gedankengut des gerechten Preises verträgt. Er verfolgt nicht maximalen Gewinn ohne Rücksicht auf seine Mitmenschen.
Ganz anders wird die Sache, wenn wir das Wertesystem, auf dem die Smithsche Argumentation basiert, außer Kraft setzen. Der Bäcker wird anfangen, an der Qualität seiner Produkte zu sparen, solange es die Kunden nicht merken. Je nachdem in welchem Ausmaß er sein altes Wertesystem abbaut, liegt auch die Versuchung näher, uninformierte Kunden zu übervorteilen. Die abnehmende Produktqualität wird er zu kompensieren versuchen über Werbelyrik, mit der er sein Produkt mit Qualitäts- und Vertrauens-Statements unterstreicht. Er wird die Risiken, ertappt zu werden, abwägen gegen die Vorteile höheren Gewinns. Er wird die Achtung und Anerkennung, die er durch sein soziales Umfeld in der Vergangenheit erfuhr, abwägen gegen die höhere Gewinnmarge und die ökonomischen Mittel, die ihm damit zur Verfügung stehen. Er wird Sympathieträger als vertrauensbildend für sich einkaufen. Vielleicht wird er gar danach trachten, sich eine Machtposition zu verschaffen, bei der es auf Qualität oder Vertrauen überhaupt nicht mehr ankommt.
Das können wir sehen, wenn wir Markt, wie die Chicagoer Schule, »deregulieren«, also zum »freien Spiel der Kräfte« erklären. Wenn „Deregulierung“ gefordert wird, statt dem Markt – wie es die Vertreter der Sozialen Marktwirtschaft forderten – Regeln zu setzen und diese Regeln auch durchzusetzen. Es leuchtet ein, dass es bei einem freien Spiel der Kräfte auf die Stärke der Kräfte ankommt – also der Stärkere, der Brutalere gewinnt. Klar, dass sich dann eine ganz bestimmte Spezies von diesem Spiel angezogen fühlt. Und dass Kraft, Ellenbogen und Durchsetzungswillen, gepaart mit Skrupellosigkeit, entscheidend zählen. Und alle anderen, die nicht so gestrickt sind, sich von dieser Art von Markt abgestoßen fühlen.
Erlauben Sie mir eine Analogie. Wir wissen, dass Fußball klare Regeln und einen guten Schiedsrichter braucht. Schon eine schwache Schiedsrichterleistung genügt, und das Spiel gerät, trotz klarer Regeln, außer Kontrolle. Wir brauchen uns also nicht zu wundern, dass eine Ökonomie ohne starke Schiedsrichter und von ihren sozialen Regeln »befreit«, ihre eigene – schlechte - Spielart entwickelt. Und wenn das Spielergebnis den Stärksten zufällt, werden eben diese versuchen, die gewonnenen Mittel zur Stabilisierung ihrer Macht einzusetzen. Sie werden Änderungen der Spielart zu verhindern trachten, werden sich über das ökonomische Spielfeld hinaus gegen politische Vorgaben einsetzen. Werden gegen die Politik mobil machen, wenn diese versuchen sollte, Vorgaben gegen sie durchzusetzen.
[1] 56 Cordes, Walter (Hg): Eugen Schmalenbach. Der Mann – sein Werk – die Wirkung. Stuttgart 1984.
57 Faltin, Günter (Hrsg.): Handbuch Entrepreneurship. Springer Gabler 2018
58 v. Weizsäcker, Wijkman, u.a., 2017
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